- 5. Okt 2021, 10:03
#201234
Habe einen "einschlägigen" Artikel in einem Fussballfachjournal" (ich denke es war Ballesterer) gefunden...
Die Akte Ali
Als Spieler gefeiert, als Manager überfordert? Ende 2015 startete Ali Hörtnagl (50) als Generalmanager von Wacker Innsbruck mit dem Ziel Licht ins wackere Dunkel zu bringen. Knappe eineinhalb Jahre später ist es rund um den Innsbrucker Tivoli so finster wie selten zuvor.
Als Spieler war Alfred Hörtnagl (50) erfolgreich. Ein Führungsspieler. Kein Spielgestalter. Vielmehr einer, der alle mitriss - und, immer dann, wenn’s sein musste, auch den einen oder anderen grätschte. Bedingungslos. Risikoreich. Gnadenlos. Mit knapp 19 debütierte er in der Bundesliga. Unter Ernst Happel feierte er zwei seiner insgesamt fünf Meistertitel. Und mit dem Nationalteam (27 Einsätze) gelang ihm 1990 der Sprung zur Weltmeisterschaft nach Italien.
Fehlende Perspektive
Als (General-)Manager sucht Alfred Hörtnagl noch den Erfolg. Von 2006 bis 2011 suchte er in Wien. Fünf Jahre nach seinem Abgang aus Hütteldorf ist von seinen Konzepten und Visionen nur wenig übrig geblieben. Viele jener Perspektivenspieler, die er unter dem Titel Pro Rapid zum Rekordmeister lotste, hatten, rückwirkend betrachtet, nie jene sportliche Perspektive, die man benötigt, um bei Rapid am Ball zu bleiben. Lebedev, Harding, Kovacevic - nur drei jener Kicker, denen Hörtnagl Fähigkeiten beschien, die sonst kaum einer sah. Und die Liste seiner Fehlgriffe (siehe Kasten), die von irgendwo kamen, irgendwo geparkt wurden und Hütteldorf wieder in Richtung nirgendwo verließen, ist lang – viele ohne jemals ein einziges Spiel für Rapid absolviert zu haben. Am Ende hatte Coach Peter Pacult vom Solo seines Sportdirektors die Nase gestrichen voll: „Es geht nicht, dass ich von Transfers nichts höre, sie erst im Teletext lese. Das lasse ich mir künftig nicht mehr gefallen“, mokierte er sich. Dem gegenüber standen die erfolgreichen Transfers von Korkmaz, Hoffer, Jelavic oder Maierhofer, deren Erlöse Hörtnagl bei Rapid in guter Erinnerung halten.
Alis erste Mission
Im November 2011 wechselte der heute 50-Jährige zu Greuther Fürth - „verantwortlich für die Koordination des Trainings, die ganzheitliche Förderung und die Verzahnung mit dem Lizenzbereich“, hieß es. Im Sommer 2012 kam das Scouting dazu. Ende desselben Jahres verschwand er in Greuther Fürth von der Bildfläche, freiwillig, wie es hieß, und tauchte wenig später bei Rot-Weiß Erfurt (3. deutsche Liga) wieder auf. Mit der Vorgabe den Verein zuerst zu konsolidieren und die Klasse zu sichern, dann aufzusteigen. „Mission 2016“, nannte Hörtnagl sein Baby. Keine klassische Fehlgeburt, aber ein Neugeborenes mit Makel. Die Klasse wurde gesichert, die zweite Bundesliga bis heute nicht erreicht. Vielmehr dümpelt Erfurt weiter im Niemandsland der 3. Liga. Ein Jahr vor Ablauf seiner Mission zog Hörtnagl abermals die Reißleine – wiederum freiwillig. Ein Abgang mit offensichtlich schalem Beigeschmack. „Rot-Weiß Erfurt: Mission 2016 wird zur Mission Impossible“, titelte das Onlineportal Liga3-online.de im Juni 2015.
Sportdirektor mit General-Vollmacht
Währenddessen kehrte der Missionar in seine Heimat zurück. Als gepriesener Visionär. Nicht als Sportdirektor, wie ursprünglich geplant, sondern als Generalmanager, wie von ihm gefordert. Wenngleich nicht jede Forderung, die er stellte, auch erfüllt worden ist. „Wenn der Vertrag so übernommen worden wäre, wie Ali ihn wollte, hätte das den Vorstand entmachtet“, wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt. Vertragsdetails wie jene, dass Hörtnagl ein Vorstandsmandat forderte oder 50 Cent pro Zuschauer als Bonus haben wollte, sobald der 4001. Zuschauer das Drehkreuz passiert, sollen letztlich aus jenem Vertrag gestrichen worden sein, den der Generalmanager selbst erstellt (!) und Wacker-Präsident Josef Gunsch zur Unterschrift vorgelegt haben soll. Rund 10.000 Euro, 14 Mal pro Jahr, blieben angeblich drin.
Mission 2020
Wacker Innsbruck, sowohl wirtschaftlich als auch sportlich – vorsichtig ausgedrückt - ausbaufähig, klammerte sich an den einstigen Publikumsliebling, wie ein durstiges Äffchen an seine Mutter. Und Hörtnagl verstand es, den ohnehin hohen Anspruch, der selten genug mit der Realität Schritt halten kann, mit der ihm eigenen Rhetorik und der ‚Mission 2020’ noch zu steigern. Eine Mission, die nicht nur in der Namensfindung auffällig stark an sein Engagement in Erfurt erinnerte. Klassenerhalt, Aufstieg bis spätestens 2017, Fixstern in Österreich, Europacup - wer ihm zuhörte (und die ‚Mission 2016’ nicht kannte), konnte gar nicht anders, als daran zu glauben, dass es mit Wacker bald wieder steil nach Oben geht. Er habe den Verein und sein Umfeld mehrere Wochen lang analysiert und festgestellt, dass das Budget durchschnittlich sei, das Stimmungsbild durchwachsen und das Vertrauen im Umfeld begrenzt, ließ Hörtnagl bei seinem Antritt wissen.
Zwölf Neue, zwei Treffer
In knapp eineinhalb Jahren mit ihm hat sich vieles in Innsbruck ins noch Negativere verkehrt. Das Budget für das kommende Spieljahr weist bei den Personalkosten um 400.000 € weniger auf als das heurige. Die Zuschauereinnahmen wurden vorsorglich noch weiter nach unten korrigiert. Und das erhoffte Vertrauen in den Verein ist auf nahezu keiner Ebene zu erkennen. Zuletzt liebäugelten sogar zwei Großsponsoren (Tiwag, Hypo Bank) damit, die auslaufenden Verträge nicht zu verlängern. Vor allem das Vertrauen in den Generalmanager selbst scheint angesichts der anhaltenden sportlichen Krise und seiner unglücklichen Personalpolitik in den Keller gerasselt zu sein. Bis auf Sturmtank Patrik Eler und Mittelfeldmann Roman Kerschbaum verdiente sich bislang keiner der zwölf Spieler, die Hörtnagl unter Vertrag nahm, das Prädikat Verstärkung. Bei einem Verein, bei dem angesichts der finanziellen Situation im Transferpoker schon eine falsche Karte eine zu viel ist. Der Alleingang bei der Bestellung von Trainer Maurizio Jacobacci tat das übrige dazu. Wochenlange Diskussionen folgten. Selbst im wackeren Vorstand war man sich lang uneins darüber, ob man sich den General weiter leisten kann und will. Viele Spieler wären es vermutlich nicht, die ihm nachweinen würden. Zumal der Umgang Hörtnagls mit seinem Kader nicht von jener Sorte ist, die es als best-practice-Beispiel auf die Flipchart einer Veranstaltung der Arbeiterkammer schafft. Drei Monate vor Ablauf der Verträge wissen nämlich mehr als zehn Wacker-Spieler noch nicht, ob sie auch im kommenden Spieljahr am Tivoli kicken. Planungssicherheit sieht anders aus.
Verpackung stimmt, Inhalt fehlt
Einer von mehreren Gründen, warum man auf Hörtnagls Engagement als General bislang (noch?) nicht den Stempel ‚erfolgreich’ drücken kann. Auch die Entwicklung der Zuschauerzahlen spricht gegen ihn. Während zu Saisonbeginn noch 2785 zahlende Fans gegen den FAC ins Tivoli pilgerten, wollten beim 2. Auftritt der Floridsdorfer (19. Runde) um fast 1000 weniger die Innsbrucker sehen. Selbst Uralt-Wackerfans kehren dem Verein mittlerweile desillusioniert den Rücken. Ein Beleg dafür, wie weit der Generalmanager, trotz Arbeitstagen von zwölf Stunden und mehr, wie zu hören ist, noch weit davon entfernt ist, das Stimmungsbild zu verbessern. Der Unterschied zwischen Quantität und Qualität ist eben mitunter mehr als nur ein Buchstabe – vor allem dann, wenn das, was gesagt wird, nicht zu dem passt, was passiert. Würde Hörtnagl bei der Bild-Zeitung arbeiten, wäre er wohl der Mann für die Titel. Mit Schlagworten kennt er sich aus, für die Ausgestaltung gibt es andere.
Fördern statt fordern
„Profiles - Going for Goals“, betitelte der Generalmanager sein jüngstes Kind. Ein Projekt, das 2016 gestartet wurde und einmal wöchentlich die Talente des Landes im Training vereint. Fördern und fordern, lautet das Ziel. Zumindest das mit der Förderung scheint schon zu klappen. 240.000 Euro pumpt die öffentliche Hand für das Projekt jährlich in die wackere Kassa. Wofür, fragt sich selbst Roland Kirchler, Ex-Wacker-Coach und als Fußballkoordinator projektbegleitend mit im Spiel.. Dabei sei „das Projekt an sich gut“, erklärt er. Weniger gut sei, dass sich der FC Wacker kaum bis gar nicht daran beteilige. In seinem Tätigkeitsbericht an die Politik wurde Kirchler zuletzt deutlich. Es könne nicht sein, dass man Spielern mit durchschnittlicher Anlage (Dorta) oder ungewisser schwarz-grüner Zukunft (Roguljic) einen Platz im Kader gebe, während die heimischen Talente (Galle, Riegler, Egbe) durch den schwarz-grünen Rost fallen, beschrieb er.
Teamspieler unbekannt
Zahlreiche Hoffnungsträger (Berkay, Schiestl, Nagler, Ivanovic) wurden bereits von anderen Vereinen (Salzburg, St. Pölten, Augsburg) erfolgreich abgeworben. Und die Gefahr sei groß, dass weitere folgen. „Mit uns hat noch keiner von Wacker über Fabians Zukunft gesprochen“, wundert sich Roland Leitner, der Vater von Fabian (15), eines der größten Talente, die Innsbruck derzeit zu bieten hat. Andere Vereine reden offensichtlich mehr. In Salzburg und bei Rapid soll die Aktie Leitner hoch im Kurs sein. Und auch die Bayern luden den 15-Jährigen schon zwei Mal zum Probetraining ein. Pikanterie am Rande: als die offizielle Anfrage aus München eintrudelte, musste das wackere Trainerteam erst nachfragen, wer Fabian ist – ein U-15-Nationalteamspieler, der seit seinem dritten Lebensjahr in Innsbruck kickt. „Meiner Meinung nach kann es sich der Tiroler Fußball nicht leisten, solche Talente einfach zu ignorieren“, lautet Kirchlers alarmierende Zusammenfassung. Ein entlarvendes Resümee, das vermutlich Wellen schlagen wird. Als Spieler war Hörtnagl ein Erfolgsgarant. Gefürchtet. Bewundert. Geschätzt. Als Generalmanager ist er davon (noch?) weit entfernt.